Schloss Moritzburg
   Das barocke Schloss Moritzburg war schon von Anbeginn als Jagdschloss konzipiert. Es wurde auf einer künstlichen Insel inmitten der Teichlandschaft des wildreichen Friedewalds von den Baumeistern Pöppelmann, Longuelune und de Bodt erbaut. Hier hatte sich vorher ein Renaissance-Jagdhaus des Herzogs Moritz befunden. Dessen Kapelle bezog man in den „Neubau“ ein. Alles deutet hier auf Pirsch und Jagd hin, die Skulpturen um das Schloss herum, die Piköre an der Auffahrt, die Geweihe, mit denen die Frontseite geschmückt ist, die Prunkräume mit ihrer üppigen Ausstattung, unter der reichlich Jagdwaffen und -trophäen zu finden sind, die kunstvollen Tapeten mit Artemis- und Diana-Darstellungen.
   Die Jagd im Zeitalter des Feudalismus diente nur sehr bedingt der Nahrungsbeschaffung oder forstlich-hegerischen Absichten, sie war eher ein Nachklang der germanischen Jagdlust und ein Ausdruck fürstlicher Lebensweise. Da man sich das Privileg des Jagens nicht streitig machen lassen wollte, ging man brutal gegen Wilderer vor. Ein Aristokrat aus dem Württembergischen befahl in diesen Jahren, dass man Wilddieben beide Augen ausstechen solle, und ein Erzbischof ließ damals sogar einen Bauern, der einen auf seinem Acker äsenden Hirsch getötet hatte, lebendig in die Haut des Tieres einnähen und von seinen Jagdhunden zerreißen…Für die sächsischen Kurfürsten galt Wilddieberei „schlimmer als Mord und Totschlag“.
  Im 17. Jahrhundert rechnete man zur „hohen Jagd“: Hirsche, Damhirsche, Wildschweine, Auerhähne, Fasane und Trappen; zur „mittleren Jagd“ zählte man Rehe, Bachen, Frischlinge, Wölfe und Rebhühner; als „niedere Jagd“ bezeichnete man das Weidwerk mit Hasen, Mardern, Eichhörnchen, Wieseln und Wasser­geflügel, auch Drosseln und Lerchen.
Sandsteinskulptur, Jagdhornbläser
Friedewald Impression
   Die Mengen an Wildbret, die damals erlegt wurden, erscheinen uns heute als fast unglaubwürdig. So sollen in Sachsen in kurfürstlicher Zeit  fast eine Million Stück Wild erlegt worden sein. Allein unter dem Kurfürsten Johann Georg I. habe man über 15000 Hirsche, 203 Bären und an die 4000 Wölfe gehetzt und geschossen. Johann Sebastian Bach hat im Jahre 1716 seine erste weltliche Kantate geschrieben, die sich ausgerechnet mit dem Weidwerk beschäftigt und den Titel trägt: „Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd“. Die Musik spielte zur Begleitung des Jagdschmauses auf, und der Textdichter mit Namen Salomo Franck hat dabei kräftig auf die Mythologie zurückgegriffen und alle möglichen antiken Gottheiten auftreten lassen.
August dem Starken (1670-1733) ging die Jagd über alles. Er zog, wenn er nicht gerade im Ausland zur Pirsch eingeladen war, mit pompösem Gefolge in den Wäldern des Sachsenlandes umher, allen voran im Friedewald und im Wermsdorfer Forst. Selbst wichtige Staatsgeschäfte mussten warten, wenn Jagdzeit war. Und überall wurde darauf geachtet, die Jagdreviere nicht zu stören. Sogar an die Umsiedlung ganzer Dörfer war gedacht, aber so weit ist der Dresdener Hof dann doch nicht gegangen. Immerhin hat der Graf von Miltitz in Siebeneichen bei Meißen die regierungsamtliche Aufforderung erhalten, zwischen dem Spaargebirge und dem Elbufer keine Häuser zu erbauen, weil dies der kurfürstlichen Wildbahn Nachteile brächte.
   Die bekannteste Mätresse Augusts des Starken ist die Gräfin Cosel. Warum sie den Vorzug genießt, auch heute noch so populär zu sein, ist nicht ganz zu durchschauen. Der Hang des Publikums zum historischen Klatsch kann wohl nicht allein der Grund dafür sein, denn dann müsste die Gräfin Anna Cathérina Orczelska im Zentrum des Interesses stehen. Gerüchteweise war sie nämlich zugleich seine Mätresse und - seine leibliche Tochter (wobei nur letzteres wirklich belegt ist). Ein Umstand, der selbst dazumal als höchst pikant empfunden wurde.

   Sollte es aber das Mitleid mit der in die Einsamkeit abgeschobenen früheren Geliebten sein, das der Öffentlichkeit so sehr am Herzen liegt, so wäre Aurora Gräfin von Königsmarck ebenfalls eine Publikums-Favoritin, denn sie verschwand, als sie vom starken August abgelegt worden war, hinter den Klostermauern des Damenstiftes Quedlinburg. „Die Königsmarck“, von Voltaire als die geistreichste Frau Europas bezeichnet, sprach fünf Sprachen, konnte Noten lesen und musizierte professionell, vor allem aber erhob sie sich durch ihre unverfälschte Freundlichkeit und Menschlichkeit turmhoch über alle ihre Nachfolgerinnen: Sie war Augusts erste Mätresse - und das Kind, das sie von ihm empfing, nannten beide zur Erinnerung an die denkwürdigen Tage von Moritzburg - einfach Moritz. Es wurde später der Moritz von Sachsen und Marschall von Frankreich.
Halali im Friedewald - Dieser Text basiert auf einem Manuskript von Renate und Roger Rössing
Jagdschloss Moritzburg
Das Moritzburger Schloss
Skulptur vor Schloss Moritzburg
Posthorn mit Jahreszahl
Postsäule mit Enfernungsangaben
1730
Moritzburger Teich
Blick von Schloss Moritzburg auf die Schlossallee
Blick von der vorderen Schlossterasse
Durchgang unter der Schlossterasse
   Moritzburg war ein Zentrum der Lustbarkeiten. Der Reiseschriftsteller M. von León schreibt am Anfang des 18.Jahrhunderts: „Hier gibt es immer Maskeraden, Helden- und Liebesgeschichten, verirrte Ritter, Abenteuer, Jagden, Schäferspiele, Zeremonien, Raritäten. Kurz, alles spielt, man sieht zu, man spielt mit, man wird gespielt…“ Eine verfrühte Spaßgesellschaft, allerdings begrenzt auf eine sehr beschränkte Personengruppe (wobei sich „beschränkt“ hier vor allem auf die Anzahl bezieht).
Blick von der hinteren Schlossterasse
Gänse am Schlossteich Moritzburg
Schlossteich mit Häuschen
Kavaliershäuser nahe dem Schloss
Wildgänse am Schloss
Parforcejagdhornbläser aus Sandstein
auf der Brüstung am Schlossaufgang
Landschaft um Moritzburg
Moritzburg - Lübben 24 Stunden
  Aurora, die sich auf der Suche nach ihrem Bruder am Dresdener Hof aufhielt, wurde von August zu einem rauschenden Fest nach Moritzburg eingeladen, August war in diesem Jahr gerade 25 Jahre alt geworden. Es gibt eine ausführliche Schilderung dieser vierzehn Tage lang andauernden Lustbarkeit, in der man erfährt, dass die schöne Aurora, zusammen mit ihren Hofdamen als Amazonen verkleidet, im Moritzburger Wald von der Göttin Diana begrüßt und zu einem Bankett empfangen wurde. Aber schon während der ersten Bissen hörte man Hundegebell und das Schallen der Jagdhörner. Die Damen, die neugierig ans Fenster stürzen, sahen einen gehetzten Hirsch, verfolgt von Jägern. Es standen Jagdwagen bereit, und so konnten die Gäste an der wilden Jagd teilnehmen. Der Hirsch, durch Treiber mit ausgespannten Tüchern an der Flucht gehindert, fand keinen anderen Ausweg, als sich in einen der Teiche zu stürzen, wo ihn die Hunde stellten und unter den Augen der faszinierten Jagdgesellschaft zerfleischten. In Gondeln glitten dann alle zu einer Insel, auf der ein prachtvoll geschmücktes türkisches Zelt aufgeschlagen war. Dort wurden sie von jungen Türken empfangen und bewirtet „mit allerhand Erquickungen aus silbernen Körben.“ Da erschien der Großsultan, in einem von Diamanten und Rubinen nur so glitzernden Gewand - es war der verkleidete Kurfürst, der sofort dem Fräulein von Königsmarck ein perlenbesticktes Schnupftuch zuwarf. Nach einem kurzen Zwischenspiel mit Tänzerinnen und Janitscharenmusik führte der Gastgeber Aurora zur Gondel, und man fuhr, begleitet von festlicher Musik, auf dem Wasser spazieren. In Kutschen rollte man sodann zum Schloss.

  Der Kurfürst führte Aurora in das ihr zugedachte Gemach, das kostbar ausgestattet war „mit Zierat und Liebesgöttern“, und er sprach: „Hier, Mademoiselle, sind Sie die oberste Gebieterin, und aus dem Großsultan, den ich vorstellte, werde ich Dero Sklave“. Die Königsmarck kleidete sich nun um und schlüpfte in das Kleid, das der Fürst ihr verehrt hatte. Zusammen gingen sie zur Komödie, danach wurde Tafel gehalten. Aurora fand auf ihrem Teller einen „Strauß von Brillanten, Smaragden, Rubinen, Perlen und Gold“, der sie als Königin des nun folgenden Balls kennzeichnete. Das verliebte Paar verließ vorzeitig den Ballsaal, „…allein niemand tat, als ob er sie vermisse, weil man wohl bedenken konnte, daß sie allein sein wollten. Und der Kurfürst genoß die süßesten Reizungen mit dem Fräulein von Königsmarck, welche ihm die wesentlichsten Kennzeichen ihrer Liebe gab“. Man ersieht aus diesem Bericht, dass die Yellowpress-Hofberichterstattung keine Erfindung unserer Tage ist.

Schlossteich
Schlossallee
Abendstimmung
Schlossaufgang
Aufgang zu Schloss Moritzburg
Aufgang zum Schloss
   Das in der Mitte des 16. Jahrhunderts gebaute Jagdschloss im Stil der Renaissance, nach dessen Erbauer Herzog Moritz von Sachsen es seinen Namen erhalten hatte, genügte schließlich nicht mehr den Ansprüchen Augusts des Starken. Alles sollte noch größer, prächtiger, internationaler werden! In Dresden hatte er einen vorzüglichen Baumeister, der ihm gerade die von seinen Vorfahren eingerichteten Zwingergärten zu einem pompösen Bauwerk nach italienischen und französischen Vorbildern umbaute - sollte Matthäus Daniel Pöppelmann doch gleich das altmodisch gewordene Schloss Moritzburg auf den neusten Stand bringen! 1723 begannen die Umbauarbeiten. Sie dauerten bis zum Tod Augusts des Starken. Zum Glück hatte keiner der nachfolgenden Kurfürsten und Könige das Interesse (oder vielleicht die finanziellen Mittel), das Schloss je nach architektonischem Zeitgeschmack erneut umbauen zu lassen, und so sehen wir dieses Prunkstück des Barock heute wie damals in seiner einmaligen Schönheit.

  Kurfürst Friedrich August III. (1750-1827), seit 1806 und durch Napoleons Gnaden als Friedrich August I. Sachsens erster König, fügte dem von seinem Urgroßvater geschaffenen Ensemble aus Schloss und gestalteter Natur jedoch eine vergleichsweise Kleinigkeit hinzu. Östlich des Schlosses und durch eine Sichtachse mit ihm verbunden, entstand auf dem Gelände der ohnehin im Siebenjährigen Krieg zerstörten Fasanerie das Fasanenschlösschen. Das Gebäude im Stil des Rokoko ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Winzigkeit: Es misst 13,4 Meter im Quadrat! Doch auf diesem klitzekleinen Grundriss ist en miniature ein kompletter Haushalt untergebracht. Im Erdgeschoss befinden sich Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer, in der oberen Etage des zweistöckigen Baus überrascht dann der vergleichsweise riesige Speisesaal.
Blick aus dem Arbeitszimmer des Fasanenschlösschens auf Schloss Moritzburg
Blick aus dem Arbeitszimmer des Fasanenschlösschens auf Schloss Moritzburg
Das Fasanenschlösschen bei Schloss Moritzburg
Fasanenschlösschen, Detail
   Ob dieses Mini-Schlösschen wirklich bewohnt wurde? Mancherorts liest man, der Kurfürst und seine Gemahlin hätten das Haus als Sommersitz genutzt, doch das ist bei aller Funktionalität der Räume nicht wirklich vorstellbar. Der große Speisesaal lässt eher darauf schließen, dass das Schlösschen in erster Linie für Festivitäten genutzt wurde - falls es sich dabei ergab, dass etwas „dienstliches“ besprochen werden musste, ist man sicherlich in das Arbeitszimmer ausgewichen. Und auch das eine oder andere Bett wird wohl ab und zu benutzt worden sein.
Fasanenschlösschen
Das Fasanenschlösschen in Moritzburg
Fasanenschlösschen
   Die großflächigen Moritzburger Teiche boten sich dafür geradezu an und schon bald wurden mit einer eigens gebauten Fregatte die ersten „Manöver“ gefahren. Doch das Bühnenbild sollte perfekter sein, und so wurde in der Folge eine ganze Küstenlandschaft nachgebildet. Eine Hafenanlage, auf deren befestigter Mole der Leuchtturm errichtet wurde, war mit Kanonen versehen; künstliche Inseln - eine als Festung, die andere weniger martialisch mit einem Teepavillon bebaut - wurden angelegt. Sogar die Durchfahrt, in der die ursprüngliche Schlacht stattgefunden hatte, wurde nachgebaut, die Dardanellen, eine im Original 65 Kilometer lange Meerenge zwischen Ägäis und Marmarameer, ist hier nur 400 Meter lang.
  Genau wie das Fasanenschlösschen ist diese Anlage eine sorgfältig geplante Miniatur. Zum Spielen reichte es dem Kurfürsten allemal. Ein zweites „Kriegsschiff“ wurde gefertigt und zu Wasser gelassen, und die gesamte Anlage diente dem kurfürstlichen Hof und seinen Gästen nun zur Erbauung und Belustigung, wenn sie die historische Schlacht nachspielten. Ob die Bewohner der umliegenden Dörfer, die als Statisten verpflichtet wurden, sich ebenfalls amüsierten, ist leider nicht überliefert.

  Vieles von der Anlage ist heute zerfallen, Seeschlachten können wir uns hier und heute kaum vorstellen. Die Wirkung ist nicht mehr dieselbe, weil am Anfang des 20. Jahrhunderts der Wasserstand um anderthalb Meter gesenkt wurde - nicht zur Belustigung, sondern ganz pragmatisch, um den Teich besser ablassen zu können, wenn alljährlich die Karpfen herausgeholt werden.
   Das Fasanenschlösschen ist inzwischen fast vollständig saniert. Einige Kleinodien und Bilder, die nach 1945 verschwunden waren, wurden wundersamerweise auf privaten Dachböden gefunden und zurück gegeben; Schätze, die dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen waren, wurden aufwändig restauriert.

  Unter fachkundiger Führung kann das Schlösschen besichtigt werden. Und auf engstem Raum gibt es viel zu entdecken: kostbare Tapeten aus Strohgeflecht, Federn und Seide schmücken das Interieur aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, Öfen in bizarren Formen lassen uns schmunzeln, und zudem birgt das Schlösschen einige Überraschungen, die hier nicht verraten werden sollen - es ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint…
Beacon Moritzburg
Der Leuchtturm am Fasanenschlösschen
Hafen mit Leuchtturm
   Wenige Schritte vom Schlösschen erstreckt sich einer der zahlreichen Teiche dieses Gebietes. Hier ließ Friedrich August III. ab 1776 eine weitere Kuriosität bauen, die bis heute zu sehen ist: Ein aus der Ferne wie aus Backsteinen gebaut wirkender Leuchtturm ragt am Ufer knapp über zwanzig Meter in den Himmel! Näher gekommen erkennt man, dass die „Backsteine“ eine illusionistische Fassadenmalerei sind - und fragt sich, den Niederen Großteich überblickend, wozu hier ein Leuchtturm gebraucht werden könnte. Gebraucht im Sinne von Notwendigkeit wurde er zu keiner Zeit, er war - ein Spielding, Teil einer Kulisse!

   Der Kurfürst hatte kurz zuvor den russischen Admiral Orlow empfangen. Dieser berichtete ihm fesselnd und spannungsreich von der Seeschlacht bei Cesme, in der die Flotte des Admirals im Auftrag Katharina der Großen die gegnerischen Türken besiegt hatte. Seine Schilderungen waren dermaßen spannend und plastisch - Friedrich August war begeistert! Das wollte er auch erleben! Da Sachsen bekanntlich keinen Zugang zum Meer hat, musste eben improvisiert werden.
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