Geschichten aus Sachsen


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Der Barockgarten Großsedlitz - die Skulpturen
Blumenrabatte mit Frühlingsbepflanzung vor einer Sphinx
Sphinx
Obere Orangerie
Wasserspiele im Barockgarten
Sphinxe am Weg zum Friederichschösschen

Auf den Schabracken der Sphinxe das stilisierte "W" für Wackerbarth


   "Eine der markantesten barocken Parkanlagen Europas", "eine der eigenwilligsten und vollkommensten Kompositionen im Bereich der barocken deutschen Gartenkunst", "authentischste Barockanlage Deutschlands", und sogar "Sachsens Versailles" - die Superlative sind sehr hoch angesetzt, wenn über den Park in Großsedlitz gesprochen oder geschrieben wird!
   "Pracht, Glanz und Heiterkeit" sind unverzichtbare Worte bei der Beschreibung dieser Anlage - und jedes dieser Worte ist wahr! Und natürlich sind es die verschiedenen Elemente der Gartenbaukunst, Terrassen, Sichtachsen, Treppen, Wasserkunst, Hecken und Blumenrabatten, die alle zusammen dieses Gesamtkunstwerk bilden. Eine besondere Rolle fällt in diesem Konzept den über sechzig Skulpturen zu.
Viele dieser Figuren stellen Gestalten aus der griechischen und römischen Mythologie dar, andere die Jahreszeiten, die Elemente und die damals bekannten vier Kontinente. Etliche Putten und dekorative Vasen ergänzen das Ensemble.
Wahrscheinlich ist die Reihenfolge ihrer Aufstellung seinerzeit einem Bildprogramm gefolgt, das aber nicht überliefert ist.
  In seinem 1862 erschienenen Buch "Großsedlitz mit seinem Königlichen Schlosse und Garten, geschichtlich und mythologisch erläutert" schreibt Gustav Adolph Abendroth:
Um die Statuen des Großsedlitzer Gartens schwebt in vieler Beziehung ein mysteriöses Dunkel. Weder über die Meister, unter deren Meißel sie entstanden, noch über die mythologische und beziehendlich allegorische Bedeutung derselben ist bis jetzt eine authentische Erklärung aufzufinden gewesen. Wohl aber geht noch jetzt die Sage, Friedrich August II. [August der Starke] habe einzelnen mythologischen Statuen die Porträtähnlichkeit damals bei Hofe bekannter Personen, ja sich Selbst habe er nicht ausgenommen, geben lassen und in einigen Doppelstatuen habe auf interessante Vorkommnisse bei lustigen Hoffesten hingedeutet werden wollen.
   Anfang des 18. Jahrhunderts aus Sandstein geschaffen, waren sie seinerzeit mit weißer oder grauer Farbe bemalt, um den Anschein zu erwecken, sie bestünden aus Marmor. Heute sehen wir größtenteils Kopien. Die Originale, die durch Umwelteinflüsse Schaden genommen haben, werden in einem Lapidarium verbewahrt.
   Auf dieser Seite wird ein wenig Licht in das mysteriöse Dunkel gebracht. Hier werden in Form eines Spazierganges die einzelnen Skulpturen vorgestellt und die Geschichten und Mythen über die Götter, Heroen, und manchmal auch Menschen erzählt, die sie darstellen.
Sphinx
Sphinx
Sphinxe am Weg zum Friederichschösschen
Waldkaskade und untere Orangerie
   Vom Friedrichschlösschen kommend, sieht man am oberen Orangerieparterre zwei einander gegenüber liegende Sphinxe. Diese Fabelwesen mit einem menschlichen Kopf auf einem Löwenkörper stellten im alten Ägypten oft einen Pharao dar. Die Griechen übernehmen diese Gestalt, deuten sie aber völlig anders. Hier ist sie weiblich und ein bedrohliches Ungeheuer.
Das ist kaum verwunderlich, stammt sie doch aus einer ganzen Familie von Monstern. Ihre Mutter Echidna war ein grässliches Scheusal, halb ein schönes Mädchen, halb eine gefräßige riesengroße Schlange, ihr Vater Typhon war ein riesiger Drache mit hundert Köpfen und hundert Stimmen. Auch die Geschwister der Sphinx waren keine netten Wesen: Die Chimäre war ein feuerspeiendes Ungeheuer mit drei Köpfen, denen eines Löwen, einer Ziege und einer Schlange; Kerberus ein mehrköpfiger Hund, der den Eingang des Hades bewachte; der Nemeische Löwe ein unverwundbares Untier, das Menschen und Tiere anfiel; Orthos ein Hund mit zwei Köpfen und Hydra ein Wesen mit neun Köpfen, derer zwei nachwuchsen, wenn einer abgeschlagen wurde.
Friedrichschlösschen
   Während ihre Geschwister hier und da wild wüteten, ließ die Sphinx es vergleichsweise ruhig angehen: Sie legte sich einfach auf einen Felsen vor der Stadt Theben, gab den Bewohnern der Stadt einige Rätsel auf, und wenn - unausweichlich - die falsche Antwort kam, zerriss sie den Antwortenden und fraß ihn auf. Während die Sphinx also ganz entspannt sein konnte, war die Stadt in Aufruhr. Ihr König war von einem Unbekannten erschlagen worden, und dann auch noch der Stress mit dem Wesen vor dem Tor! In seiner Not verkündete Kreon, der die Übergangsregierung führte, dass derjenige, der das Rätsel lösen und damit die Stadt von dem Monster befreien würde, seine Schwester, die Königin Iokaste zur Frau und das Reich obendrauf bekäme. Just in diesem Moment erreichte Ödipus die Stadt. Über dem schwebte die Weissagung, er werde seinen Vater erschlagen und seine Mutter heiraten, eine Drohung, die ihm sein Leben nicht besonders lebenswert erscheinen ließ, und so nahm er die Herausforderung an und begab sich zu der Sphinx. Die legte ihm folgende Frage vor:
  Was ist es, das mit einer Stimme begabt, bald vierbeinig, zweibeinig und dreibeinig wird?
Ödipus wusste die Antwort, sie ist hinter dem Schabrackenbild!:
Das Rätsel war endlich gelöst, und aus Scham und Verzweiflung stürzte sich die Sphinx selbst vom Felsen und zu Tode. Damit ist sie die einzige von ihren Ungeheuer-Geschwistern, die Suizid begangen hat, alle anderen wurden gewaltsam zu Tode gebracht, zumeist von Herakles.
   Eingedenk dieser dramatischen Geschichte sehen die Sphinxe in Großsedlitz ausgesprochen friedlich, fast freundlich aus, ein feines Lächeln liegt auf ihren Gesichtern. Die auf ihren Rücken liegenden Schabracken lassen unter einer Grafenkrone den Buchstaben W erkennen, ein Hinweis auf den Grafen Wackerbart, der seinerzeit mit dem Bau dieser Anlage begonnen hatte. So ist davon auszugehen, dass diese Wesen nicht als bedrohliche Todesdämonen zu betrachten sind, sondern eher als domestizierte Bewacher und Beschützer, die zudem natürlich auch eine wunderbare Dekoration sind!
Für Ödipus ging die Geschichte übrigens nur scheinbar gut aus
Er erhielt zum Lohn das Königreich von Theben und die Hand
der Witwe Iokaste, die seine eigene Mutter war…
   Der Blick fällt auf das rechteckige Bowling Green, eine satte Rasenfläche, die von zwei weiblichen Skulpturen flankiert wird.
Rechts steht Melpomene, Tochter von Zeus und Mnemosyne. Sie ist eine der neun Musen, zuständig für die tragische Dichtung und den Trauergesang, zu erkennen ist sie an ihren Attributen: In der linken Hand hält sie eine weinende (Theater-) Maske, in der rechten ein auf den Boden gesenktes Bündel Stäbe, Symbol für die verlöschende Fackel, also den Tod.
   Ihr gegenüber befindet sich Andromeda, Tochter des äthiopischen Königs Kepheus und der Kassiopeia, die gerade dem Tode entronnen ist. Ihre Mutter hatte sich der Hybris schuldig gemacht, indem sie behauptete, schöner als die Nereiden, die Töchter des Meeresgottes, zu sein. Das erzürnte Poseidon, und er schickte eine große Flut und das Meeresungeheuer Keto. Das ganze Land litt unter dieser Plage, niemand konnte das Untier aufhalten, und schließlich befragte Kepheus ein Orakel. Leicht wird es ihm nicht gefallen sein, aber er befolgte dessen Anweisung und ließ seine Tochter an einen Meeresfelsen schmieden, damit Keto sie sich als besänftigenden Tribut holen könne. Just als das Monster nahte, kam auch Perseus vorbei, verliebte sich sofort in die Schöne, tötete Keto und nahm Andromeda zur Frau. Hier sehen wir Andromeda kurz nach ihrer Rettung: Sie ist nicht mehr gefesselt, hält die Kette aber noch in der linken Hand.
   An den Ecken des Bowling Greens stehen jeweils zwei weibliche Skulpturen, und sieben von ihnen stellen ein und dieselbe Göttin dar: Pomona. Sie war in der römischen Mythologie die Göttin der Baumfrüchte (von pomum - die Obstfrucht), deshalb wird sie immer mit irgendwelchen Früchten dargestellt. Sie war die Gattin des Gottes Vertumnus. Wie es zu dieser Verbindung kam, schildert Ovid in den "Metamorphosen".
Pomona hatte sich ganz und ausschließlich der Hege und Pflege der Früchte verschrieben, sie führte ein Leben, in dem für einen Mann kein Platz war. Sie lehnte alle Annäherungsversuche ab und verwehrte dem anderen Geschlecht strikt den Zutritt zu ihrem Garten. Doch Vertumnus war besonders hartnäckig und ließ sich nicht so einfach abschrecken. In diversen gärtnerischen Verkleidungen hatte er bereits versucht, sich bei ihr einzuschmeicheln, war aber immer wieder abgeblitzt - schließlich war er immer noch ein Mann! Eine schlichte Maskerade reichte also nicht.
   So verwandelt er sich in ein altes, ergrautes Mütterchen und betritt den Garten. Und tatsächlich: Seine Veränderung ist so perfekt, dass Pomona sich gleich von ihm / ihr küssen lässt! Ovid schreibt:
Diese bewundert das Obst und spricht: "Wie bist du gesegnet!" Und der Gepriesenen gibt sie etliche Küsse, wie niemals wirkliche Alte sie gibt.
Dann nimmt er einen von einer reichlich Trauben tragenden Weinrebe umwundenen Ulmenbaum als Anlass für einen Vergleich: Nur gemeinsam, miteinander vermählt, werden sie zum Hingucker, die Ulme allein würde man gar nicht beachten, die Rebe müsste alleine am Boden liegen, dieses Bild sollte der Pomona ein Vorbild sein!
Nachdem dieses schöne Gleichnis noch allgemein gehalten ist, wird die alte Frau anschließend präziser: Und den Vertumnus ersieh zum Genossen des Lagers! Sie preist ihn als den idealen Gefährten, denn er ist treu, jugendlich und anmutig. Sogar um Mitgefühl bettelt die Greisin: O, gönne dem Schmachtenden Mitleid!
Melpomene
Andromeda
Bowling Green
Theatermaske
Pomona mit Fruchtschale
   Wie Pomona reagiert, beschreibt Ovid nicht, aber sehr überzeugt scheint sie nicht geguckt zu haben, denn nun ändert die Frau ihre Taktik. Sie geht ohne Redepause dazu über, eine Geschichte zu erzählen, in der sich ein immer wieder verschmähter Liebhaber aus Gram erhängt hat. Als der Trauerzug am Haus der Angebeteten vorbeizieht, will diese sich von dem Anblick abwenden, doch das gelingt ihr nicht, denn das Gestein, das längst in dem harten Busen gewesen zuvor, durchdringt ihr allmählich die Glieder. Wenn das keine unverhohlene Drohung ist!
   Der Vortrag schließt dann wieder mit freundlichen Worten: Lass von dem störrischen Sinn und dem Liebenden füge dich, Nymphe. Dafür möge dir auch nie Keime des Obstes im Frühling sengen der Frost, nie raffender Wind abschütteln die Blüten.
   Ob es nun die Versprechung ist, dass die Witterung ihren Pflanzen nie einen Schaden zufügen wird, ob sie die Worte geglaubt hat, mit denen Vertumnus gepriesen wurde, und welche Rolle die Drohung gespielt haben mag, oder ob Pomona einfach nur schwindelig von dem Redeschwall war - jedenfalls leistet sie, als die Greisin sich zurück in den Jüngling verwandelt hat, keinen Widerstand mehr. Laut Ovid nicht nur das, sondern sie ist plötzlich geradezu entzückt von dem so lange Zurückgewiesenen: Nicht Not ist Gewalt: mit Entzücken schaut sie des Gottes Gestalt.
   Die Figuren sind gut zu erkennen an den typischen Attributen der Pomona, einem Füllhorn oder Korb mit Früchten, in einem Fall hält sie einen prächtigen Kürbis empor und schaut ihn prüfend an. In einer der Zweiergruppen steht anstelle einer zweiten Pomona eine Flora, zu erkennen an dem Blütenkranz, den sie mit der rechten Hand in die Höhe hebt, sie taucht im Park noch ein weiteres Mal auf und ihre Geschichte wird später erzählt.
Pomona mit Kürbissen
Pomona mit Füllhorn
Pomona, Früchte haltend
Flora mit Blütenkranz
   Am Ende des Bowling Greens stehen zwei einzelne Figuren einander in einigem Abstand gegenüber, die doch zusammen gehören, denn obwohl mit Vulcanus (Hephaistos), dem hinkenden Gott des Feuers verheiratet, betrog Venus (griechisch Aphrodite) den ungeliebten Gatten mit diversen Anderen, und der schöne Adonis war einer ihrer Lieblinge.
Venus wird hier gezeigt, als sie gerade aus dem Wogenschaume des Meeres entsprossen ist. Mit der linken Hand hebt sie ihr noch feuchtes Haar, um es zu ordnen, mit der rechten versucht sie, sich mit einem Tuch zu bedecken, wobei ihr Sohn Amor sich aufreckt, um dabei zu helfen.
   Der Jüngling Adonis ist offensichtlich gerade im Begriff, auf die Jagd zu gehen. Ganz entspannt in die Ferne blickend und nur mit einem kurzen Tuch bekleidet lehnt er an einem Baumstumpf, den Bogen in der linken Hand, seinen Köcher reichlich mit Pfeilen gefüllt, hebt es das Jagdhorn an die Lippen. Ob er zu seiner letzten Jagd bläst? Venus hatte ihn oft genug vor den        Risiken der Jagd gewarnt, und ihn gebeten, sich von gefährlichen Tieren fernzuhalten. Ovid schreibt in den "Metamorphosen":
   Adonis allerdings will lieber mutig als vorsichtig sein. Er verwundet ein wildes Schwein, das ihn daraufhin ergrimmt verfolgt, ihm schließlich seine Hauer in den Leib rammt und ihn damit tötet. Venus ist verzweifelt als sie den Sterbenden findet und verwandelt ihn zum ewigen Gedenken in eine Blume:
     Stets soll, o Adonis, ein Denkmal
     Unserer Trauer besteh'n: dein Tod soll jährlich erneuet
     Wieder erscheinen im Bild mit dem Gleichnis unserer Klage.
     Blume jedoch soll werden das Blut
.
   Nach dieser Geschichte wird das rot blühende Sommeradonisröschen (Adonis aestivalis) auch "Blutströpfchen" genannt.
Adonis aestivalis
(Bildquelle Wikimedia.org)
Adonis
Venus
Im letzten Abschnitt, kurz bevor der Park in die freie Landschaft übergeht und eine wunderbare Aussicht preisgibt, befinden sich vier weibliche Gestalten.
Rechts steht Hygieia (auch Hygia). Die Göttin der Gesundheit ist leicht zu erkennen. Schon ihr Vater Asklepios, der Gott der Heilkunst, wurde immer mit einem Stab, um den sich eine Natter windet, dargestellt. Die Schlange verjüngt sich jedes Jahr durch ihre Häutung und ist damit als ein Sinnbild des Lebens zu sehen - der Äskulapstab ist bis heute ein bekanntes Symbol für die Ärzteschaft. Seine Tochter trägt die Schlange auf dem rechten Arm, so dass deren Kopf ihr zugewandt ist.
Bei der ihr gegenüberstehenden Dame ist die Deutung etwas schwieriger.
   Nach offizieller Lesart wird sie heute als die Siegesgöttin Victoria (griechisch Nike) bezeichnet. Huldvoll schaut sie unter dem reich geschmückten Helm, hält in der rechten Hand die Siegesfahne, und in der linken den Lorbeerkranz, bereit, ihn dem Sieger zu übergeben.
Dich, Adonis, ermahnt sie zugleich - wenn nur die Ermahnung
Fruchtete - diese zu scheu'n. "Sei gegen die flüchtigen streitbar!"
Sagte sie. "Ohne Gefahr ist nicht bei Kühnen die Kühnheit.
Sei nicht allzu dreist, mich selber gefährdend, o Jüngling!
Reize das Wild nicht, das die Natur mit Waffen gerüstet,
Daß nicht teuer dein Ruhm mir kommt! Denn Alter und Schönheit,
Alles, wodurch du Venus gerührt, rührt nimmer den Löwen
Oder das borstige Schwein und die Augen und Herzen des Wildes."
Hygieia
Victoria
   Auch bei der letzten auf der rechten Seite stehenden barbusigen Figur gibt es unterschiedliche Auffassungen.
   Heute wird sie als Diana (griechisch Artemis) bezeichnet, Zwillingsschwester des Apollon, Göttin der Jagd, der Fruchtbarkeit und des Mondes. Als beweisende Attribute können das Jagdhorn und der wachsam zu ihren Füßen liegende (Jagd-) Hund gelten, bei genauem Hinsehen ist auch eine kleine, ins Haar gesteckte Mondsichel zu erkennen.
Abendroth sieht die Sache allerdings anders und findet ebenfalls eine Begründung für seine Benennung als "Allegorie des Ackerbaues". Er schreibt:
   Eine jugendliche, weibliche Figur mit vollem, am Hinterhaupte zusammengeknüpften Haupthaare, hält mit der linken Hand das am Gürtel befestigte Gewand so, daß eine Vertiefung sich bildet, welche mit Waizenkörnern gefüllt ist, von denen die rechte Hand auszusäen sich anschickt.
   Die gegenüberstehende Figur hat nur ein einziges Attribut: Ihr linker Fuß ruht auf einem Fisch, einen weiteren hält sie im rechten Arm. Und auch wenn Abendroth den Fisch als Delphin bezeichnet, kommt er zu der heute üblichen Bezeichnung: Es handelt sich um eine weibliche Allegorie der Fischerei.
Diana
weibliche Allegorie mit Fischen
  In seinem Buch über Großsedlitz zieht Gustav Adolph Abendroth aus eben diesen Attributen einen ganz anderen Schluss: Für ihn handelt es sich eindeutig um die Friedensgöttin Pax (griechisch Eirene)!
   So bleibt es dem Besucher selbst überlassen, diese Figur so oder so zu interpretieren - Tipp: laut Lexikon wird die Siegesgöttin in der bildenden Kunst immer geflügelt dargestellt, und diese Figur hat keine Flügel…
   Entlang der Gartengrenze geht es weiter, bis wir vor einem einsamen nackten Jüngling stehen: Merkur bzw. Hermes soll es sein. Hermes, Sohn des Zeus und der Maia, am bekanntesten in seiner Funktion als der Götterbote, war ein echtes Multitalent und oftmals ein Enfant terrible der Götterwelt, verschlagen und listig, aber auch erfindungsreich. Schon als Säugling verließ er seine Wiege, tötete eine Schildkröte und erfand aus ihrem Körper mal eben die Lyra. Anschließend stahl er seinem Halbbruder Apollon eine ganze Rinderherde, und als die Sache aufgedeckt worden war, versuchte er sogar, sich vor Zeus mit allerlei Lügen herauszureden!
   Er war ein Hirtengott, Gott des Handels, der Wege und Wanderer - aber auch der Gott der Diebe und des Schlafes, der die Träume bringt. Als Götterbote überbringt er die Aufträge des Zeus, als Todesbote begleitet er die Seelen der Toten in die Unterwelt. Bei all seinen Zuständigkeiten war Hermes also immer viel unterwegs, weshalb er in der bildenden Kunst fast immer mit Flügeln, einem geflügelten Helm oder Flügelschuhen dargestellt wird, zudem mit seinem Zauberstab, mit dem er die Träume bringt.

   Nichts von diesen Attributen ist hier zu sehen, und auch listig sieht der junge Mann nicht aus - eher etwas traurig. Demnach könnte es sich um eine Darstellung des "Hermes Psychopompos" handeln, den Gott also in seiner Rolle als Seelenbegleiter in den Hades zeigen.
   Abendroth sieht in dieser Statue ebenfalls einen Hermes, gibt aber für die ungewöhnliche Pose eine andere Erklärung, die sich auf eine der vielen Erfindungen des Gottes beruht:
Merkur ist hier als Vorsteher gymnastischer Uebungen aufgefasst. Zudem bietet er dem eventuell zweifelnden Betrachter eine alternative mögliche Deutung an:
   "Auch für einen Antinous könnte man diese Statue halten. Er war ein Liebling des Kaisers Hadrian, ertrank aber im Nil und es wurde sein Bild unter die Sterne versetzt. In allen Abbildungen hat derselbe etwas Melancholisches im Gesicht; seine Augen sind immer groß, sein Profil ist sanft abwärts gebeugt, und in Mund und Kinn ist etwas wahrhaft Schönes ausgedrückt. Dennoch scheint uns die Ähnlichkeit mit Merkur eine größere zu sein
".
Merkur /  Hermes
Herkules / Herakles
   Dem Weg weiter folgend gelangen wir zu einem großen Rund aus Hecken und Bäumen, in dessen Mitte eine einzelne imposante Gestalt steht: der so genannte
Herkules (griechisch Herakles), Abendroth gibt seine Größe mit einer Höhe von neun Fuß an. Da das Vorbild für diese Darstellung im Palazzo Farnese in Rom steht, wird die Figur in Großsedlitz auch farnesischer Herkules oder Herkules Farnese genannt.
Sein Leben und die Aufgaben, die er zu bewältigen hatte, alle zu schildern, würde den Rahmen dieser Seite sprengen, daher folgt hier nur eine Kurzbiografie in wenigen Stichworten. Wer Ausführlicheres lesen möchte, findet den gesamten Lebensweg Herakles’ in einem Buch, das inzwischen selbst ein Klassiker ist: „Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Nach seinen Dichtern und Erzählern“ (erster  Teil, viertes Buch) von Gustav Schwab (1792 - 1850).
Herakles, Sohn des Zeus aus einem seiner Seitensprünge, in diesem Fall mit der Königstochter Alkmene, hatte kein leichtes Leben, nicht zuletzt, weil die eifersüchtige Hera ihn sein ganzes irdisches Dasein mit intensivem Hass verfolgte. Schon als er ein Baby war, sandte sie zwei Schlangen in seine Wiege - Herakles bewies hier das erste Mal seine Stärke und erwürgte die beiden. Später schlug Hera ihn mit einem solchen Wahnsinn, dass er seine drei Söhne aus erster Ehe tötete, indem er sie ins Feuer warf! Als er wieder zur Besinnung kam und realisierte, welch schreckliches Unrecht er getan hatte, befragte er das Orakel von Delphi. Das verwies ihn an seinen Halbbruder Eurystheus, und dieser stellte ihm die berühmten zwölf Aufgaben des Herakles, eine schwerer als die andere.
   Herakles wie wir ihn hier sehen, sieht etwas erschöpft aus; kein Wunder, elf der Aufträge hat er bereits abgearbeitet. Er lehnt ruhend auf seiner Keule, über die er das Fell des Nemeischen Löwen gehängt hat, den zu erlegen seine erste Arbeit gewesen war. Seitdem hatte er etliche Untiere besiegt oder gefangengenommen, die Ställe des Augeias gereinigt, den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte herbeigeschafft und zuletzt die goldenen Äpfel der Hesperiden geraubt. Geht man um die Statue herum, kann man nicht nur seinen muskelbepackten Rücken bewundern, sondern sieht auch drei ebendieser Äpfel in seiner rechten Hand.
   Und ein versöhnlicher Ausklang: Nach seinem Tod wurde Herakles von Zeus in den Olymp erhoben, wo er Unsterblichkeit erlangte. Hera versöhnte sich nun mit ihm und gab ihm sogar ihre Tochter Hebe, die Göttin der Jugend, zur Frau. Ein Happy End nach all den Anstrengungen!
Weiter geht es zu dem Halbrund, welches das untere Orangerieparterre in südöstliche Richtung begrenzt, und an dem entlang sich sechs Statuen befinden. In der Mitte steht das Götterpaar Juno (Hera) und Jupiter (Zeus), flankiert sind sie von allegorischen Darstellungen der vier Jahreszeiten.
Der ewige Wechsel der Jahreszeiten und ihre immerwährende Wiederkehr ist nicht nur für den Garten, die Flora und Fauna wichtig, er steht auch als Symbol für die Zeit und die Vergänglichkeit, Entstehen und Vergehen, und damit für Leben und Tod.
Den Auftakt macht hier der Winter, ein bärtiger alter Mann mit dünnen Beinen, dem man sein „Vor-Kälte-Zittern“ förmlich ansieht. Kopf und Rücken sind in ein Fell gehüllt, das der Alte mit der linken Hand zusammenhält, ein Putto hält ihm ein Becken mit Flammen empor, über dem er die rechte Hand zu wärmen versucht. Viel scheint all das nicht zu nutzen, betrachtet man die hochgezogene Schuler und das unglückliche Gesicht.

Es folgt der Frühling, ene anmutige junge Frau mit besonnenem Gesichtsausdruck und sanft fallendem Kleid. Sie trägt Blüten im hochgesteckten Haar und einen üppigen Blütenkranz in der linken Hand. Ein zu ihren Füßen liegender Putto ist im Begriff, ihr eine Blumengirlande zu reichen. Aufgrund ihrer Attribute kann diese Statue auch als eine Darstellung der Göttin Flora gedeutet werden.
In der Mitte stehen Jupiter (Zeus) und seine Gattin Juno (Hera), gleichzeitig Geschwister und Eheleute, die höchsten Götter auf dem Olymp.
Jupiter hält hoch über den Kopf erhoben ein Bündel Blitze, wohl im Begriff sie auf die Menschheit loszulassen; zu seinen Füßen sitzt ein wachsamer Adler mit ausgebreiteten Schwingen - Symbol für die Macht des Gottvaters.
Ihm zur linken Hand steht seine Gattin Juno. Sie gilt als Beschützerin der Ehe und der Frauen, hat damit aber in ihrer  eigenen Beziehung nicht viel Glück, ihr Mann ist ein notorisch serienmäßiger Fremdgeher. Also keine glückliche Ehe, dennoch steht sie hier stolz neben ihm, die ihr gebührende Krone auf dem Haupt und als Zeichen der Autorität mit dem sprichwörtlichen Zepter in der Hand. Zu ihren Füßen sitzt ein weiteres ihrer Attribute: ein Pfau.
Jupiter / Zeus
Juno / Hera
Winter
Frühling
   Der Reigen der Jahreszeiten setzt sich fort mit dem Sommer, einer Frau in schwingender Bewegung, nur leicht bekleidet, was der Feldarbeit geschuldet sein mag, denn sie hält im linken Arm eine Garbe und in der Hand eine Sichel. Auf ihrem Kopf sitzt ein mit Blumen und Ähren geschmückter Hut aus geflochtenem Stroh; und auch der vor ihr liegende Putto hält Bündel Ähren in der einen Hand, während er mit der anderen das Kleid der Schnitterin lüpft.
Unweigerlich beschließt der Herbst dieses Personenensemble: Ein Mann unbestimmten Alters, der Bart zottelig, der Körper bis auf ein lässig umgehängtes Tierfell fast nackt, das Haupt mit einer Ranke aus Weinlaub bekränzt, hält eine große Rispe mit saftigen Weintrauben hoch, den Mund bereits geöffnet für diesen Genuss. Der Putto ist hier eher ein kleiner trunkener Pan, der auf dem Rücken liegt, seine Flöte beiseite gelegt hat und nun lieber versucht, sich am Umhang des Herbstes in die Höhe zu ziehen.
   Diese Darstellung der Allegorie des Herbstes kann im doppelten Sinne gedeutet werden, denn die Attribute und der Begleiter Pan deuten ebenfalls auf den Gott des Weines und der Fruchtbarkeit Bacchus (griechisch Dionysos).
Sommer
Herbst / Bacchus

Abendroth trägt zu dieser Statue noch eine Geschichte aus der Gerüchteküche bei:
Im Munde des Volkes wird diese Statue gewöhnlich die Gräfin Cosel genannt, welche die Bergveste Stolpen auf dem Kopfe trage. Zwar entkräftigt er diese Aussage sofort selbst und bezeichnet es als sehr unwahrscheinlich, dass August der Starke das Porträt einer längst auf die Burg Stolpen verbannten Ex-Geliebten in seinem Lustgarten hat aufstellen lassen, kommt dann aber zu dem Schluss: Gleichwohl mag eine Porträtähnlichkeit angenommen worden sein. Gut möglich…
Kybele / Rhea
Ein Löwe zu ihren Füßen
Der Weg zwischen Sommer und Herbst führt in den hintern Teil des Gartens, hier treffen wir die Statue der Kybele / Rhea, eine stattliche Frau! Sie war die Schwester und die Ehefrau des Titanen Kronos, zu ihren gemeinsamen Kindern gehörten unter anderem Hera und Zeus. Sie wurde als „Mutter der Götter“ oder magna mater (große Mutter) verehrt, als Beschützerin der Erde und all dessen, das diese hervorbringt und trägt.
Auf dem Kopf trägt sie eine Stadtmauer als Krone, die sie als Beschützerin der Städte ausweist. Das Zepter als Zeichen ihrer Herrschaft hält sie in der rechten Hand, ebenso den Schlüssel, mit dem sie die fruchttragende Erde im Frühjahr auf- und im Winter wieder zuschließt; in der Linken hält sie ein üppiges Gebinde aus Früchten und Blumen. Zu ihren Füßen liegt ein Löwe als Symbol ihrer Stärke und Macht.

Erhältlich im Buchhandel und
direkt beim Tauchaer Verlag
Huldvoll schaut die gekrönte Dame in die Ferne, wirtschaftlich geht es ihr gut, denn sie ist wohlgenährt wie ihr Doppelkinn beweist. Ihr Busen ist züchtig bedeckt und sie trägt einen - wahrscheinlich kostbaren - Umhang. Zu ihren Füßen liegen die Attribute, die Anfang des 18. Jahrhunderts symbolisch für Europa standen: Neben ihr auf dem Boden steht ein Schild, das sie mit der linken Hand hält, darunter liegt ein mit Kugeln verschiedener Kaliber gefüllter Helm, unter diesem sind Bücher aufeinander gestapelt. Ihr zu Füßen liegen Zirkel und Winkelmaß und eine Bischofsmütze, auf der ein Zepter liegt. In der hier genannten Reihenfolge Symbole für Krieg, Literatur, Wissenschaft / Baukunst und Glaube und Macht. Damit Europa nicht allzu akademisch-langweilig erscheint, hält sie in der linken Hand eine große Dolde mit Trauben - Symbol für den Wein!
Aufwärts führt der Weg zur Kaskade, hier finden wir ein Ensemble, das die vier Kontinente (Australien war zwar schon "entdeckt", aber es war in Europa noch wenig darüber bekannt) und die vier Elemente in insgesamt sechs Skulpturen zeigt. Dabei ist die Reihenfolge der alle als weibliche Allegorien dargestellten Kontinente keineswegs zufällig gewählt, sondern folgt den hierarchischen Vorstellungen der Zeit, und da hieß es definitiv:  "Europa first!"
Es folgt Asien, zur damaligen Zeit schon ein wichtiger Handelspartner Europas, aber eben doch "ganz anders". Die Figur trägt eine merkwürdige, spitz zulaufende Kopfbedeckung, die mit einem Kranz von Blüten umrandet ist, ihr Gewand muss aus sehr dünnem Stoff bestehen, denn ihre linke Brust scheint deutlich durch. In der linken Hand hält sie Zimtrollen und Blätter, die für den Gewürzreichtum Asiens - wichtiges Handelsgut! - stehen. Zu ihren Füßen liegt ein Putto mit ähnlicher Kopfbedeckung wie sie selbst und hält mit der Linken ein flammendes Kohlebecken, seine rechte Hand liegt auf einem Schatzkästchen. Abendroth deutet dieses als eine Andeutung des Reichthums, welchen das nördliche Asien an Diamanten und edlen Metallen besitzt.
Europa
Asien
Die Reihe der Kontinente wird nun unterbrochen durch die Elemente, ein beliebtes Subjekt der dekorativen Kunst. Das Außergewöhnliche hier: Die jeweils einander entgegen gesetzten Elemente sind in einer Figur vereint.
Die erste stellt Feuer und Wasser dar und zeigt eine junge Frau in sehr leichtem Kleid. Sie ist in einer schwungvollen Bewegung, wodurch ihr linkes Bein bis zur Hüfte entblößt ist. Mit beiden Händen hält sie ein Feuerbündel nach oben, laut Abendroth ist sie im Begriff, das vom Himmel stammende Feuer als Blitz zur Erde [zu] schleudern. Zu ihren Füßen liegt ein überdimensionierter Fisch (bei Abendroth übrigens wieder ein Delphin!) mit weit aufgerissenem Maul und beeindruckenden Zähnen.
Auch Luft und Erde werden von einer luftig bekleideten jungen Frau dargestellt. Sie schaut völlig verträumt und dabei freudig lächelnd gen Himmel, dabei hebt sie mit der rechten Hand ein Tuch oder einen Teil ihres Gewands hoch über den Kopf, so dass es vom Wind zu einem dreieckigen Segel aufgebläht wird. In der anderen Hand hält sie ein Zepter. Laut Abendroth deutet das zu den Füßen auf der Erde liegende Thier, ein Marder oder sonstiger ureigner Bewohner des Festlandes, die Erde an. Biologie war nicht eben das Spezialgebiet des Herrn Abendroth, denn das geduckte kleine Tierchen hier hat keinerlei Ähnlichkeit mit einem Marder, es ist ein Hündchen, wahrscheinlich aus der Familie der Dackel.

Feuer und Wasser
Luft und Erde
Jetzt wird es richtig exotisch, denn weiter geht es mit Afrika, nach Abendroth dargestellt in einem Neger (seinerzeit noch kein diskriminierender Begriff!), aber es handelt sich doch eher um eine weitgehend nackte weibliche Gestalt. Sofort ins Auge fällt die extrem ungewöhnliche Kopfbedeckung, bestehend aus der Haut eines Elephantenkopfes sammt Rüssel und Zähnen. Geschmückt ist die Figur mit einer Kette aus großen Perlen und einem Gürtel. In der linken Hand hält sie eine große Schlange, die in Höhe ihrer Brust das Maul gefährlich aufreißt, die Rechte greift in ein Füllhorn, das mit Straußenfedern und Blumen gefüllt ist. Zu ihren Füßen ruht majestätisch der Löwe der Wüste Afrikas.

Als letztes folgt Amerika, der damals jüngste bekannte Erdteil, was Raum für wilde Spekulationen ließ. Bei Abendroth ist die Figur ein Mexicaner, doch sieht sie eher wie eine Indianerin aus. Auch sie ist überwiegend nackt und trägt nur einigen Federschmuck im Haar, an den Oberarmen und als Lendenschurz. Bewaffnet ist sie mit einem Bogen, den sie in der linken Hand hält, der Köcher auf ihrem Rücken ist mit Pfeilen gefüllt. Der Putto zu ihren Füßen, ebenfall mit Federschmuck im Haar, sitzt auf einem Krokodil und hält eine Echse (bei Abendroth eine Schlange) im Arm. Ein besonders makaberes Detail: Hinter dem rechten Fuße sieht man ein scalpirtes Haupt liegen. In den Vorstellungen des frühen 18. Jahrhunderts gehörte offenbar der Kannibalismus zu einem prägnanten Symbol für Amerika.
Afrika
Amerika
Wir folgen dem Weg zwischen Afrika und Amerika und finden erneut eine Statue der Juno (Hera). Anders als die erste, eher statische, Darstellung ist sie hier in Bewegung, ihr Gewand schwingt und sie führt mit ihrem Zepter den Pfau. Dessen Pfauenaugen auf dem Gefieder hatte Juno dem hundertäugigen Wächter Argus (Argos) nach dessen gewaltsamen Tod (Ermordung durch Hermes) abgenommen und auf die Federn des Vogels gesetzt.
Juno / Hera

Am unteren Ende der Waldkaskade befinden sich acht Doppelfiguren, die als "Liebespaare aus der Mythologie" bezeichnet werden - eine Benennung, die nicht wirklich auf alle der hier dargestellten Personengruppen zutrifft, bedeutet "Liebespaar" per Definition doch zwei einander liebende Personen… Hier sind die Geschichten der Figuren, die Reihenfolge entspricht dem Weg in Richtung der "Stillen Musik". Mythologische Themen wurden von verschiedenen Autoren bearbeitet und zum Teil unterschiedlich interpretiert oder ausgeschmückt. Die Darstellung auf dieser Seite folgt den Versen des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr. bis etwa 17 n. Chr.).
Bacchus (griechisch Dionysos) und Ariadne
Verliebt hatte Ariadne sich in ihrer Heimat Kreta, und zwar in Theseus, den Sohn des Königs Aigeus aus Athen. Er war gekommen, den Minotaurus, ein schreckliches Ungeheuer, halb Mensch halb Stier, zu töten, um damit sein Volk von der Verpflichtung zu befreien, diesem Monster alle neun Jahre sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge opfern zu müssen.
Ihre Liebe verleitete Ariadne dazu, dem Fremden zu helfen, also mit ihm gegen ihren eigenen Vater, den König Minos, zu kollaborieren - allerdings musste Theseus ihr dafür die Ehe versprechen. Sie gab ihm ein Wollknäuel (den bis heute sprichwörtlichen Faden!) und den Rat, diesen am Eingang des Labyrinths, in dem der Minotaurus gefangen gehalten wurde, festzubinden und ihn während der Suche abzuwickeln, so dass er den Rückweg sicher fände. Zudem gab sie ihm ein Schwert, mit dem er das Ungeheuer töten könnte. Die Sache gelang!
Sehr wohl wissend, dass Minos sehr verärgert reagieren würde, verließen Theseus, seine Leute und Ariadne die Insel zügig mit ihrem Schiff, vorher zerschlugen sie noch die Böden der kretischen Boote, um eine Verfolgung zu verhindern. Was sie bewog, auf der Insel Dia, dem späteren Naxos, einen Zwischenstopp einzulegen, ist unklar, ebenso, was dort genau geschah. In der Odyssee heißt es, Artemis habe Ariadne getötet, weil sie bereits dem Dionysos versprochen gewesen sei.
In seinen "Sagen des klassischen Altertums" berichtet Gustav Schwab, Dionysos sei dem Theseus im Traum erschienen und habe ihm erklärt, daß Ariadne die ihm selbst vom Schicksal bestimmte Braut sey, und drohte ihm alles Unheil, wenn Theseus die Geliebte nicht ihm überlassen würde. Als göttergläubiger Mensch packte Theseus die Furcht vor dieser Drohung, und tief betrübt ließ er Ariadne auf der Insel zurück.
In wieder anderen Versionen wird es so dargestellt, dass Theseus ein ganz herzloser Kerl war, der Ariadne nur ausgenutzt hatte, um ihre Hilfe zu erhalten, und sie nun, ihrer überdrüssig, schmählich auf der einsamen Insel zurücklässt. So schreibt Ovid, er ließ die Begleiterin grausam dort am Gestade zurück.
So oder so: Ariadne saß alleine auf der Insel fest, als Dionysos tatsächlich erschien und sich sofort in die wehklagend (in anderen Versionen schlafend) am Strand Liegende verliebte. Was hätte sie machen können? Der Weg zurück nach Kreta war ihr versperrt - welche Strafe hätte sie dort wohl für den Verrat an ihrem Vater erwartet? Ihr Geliebter war über alle Wellen und Wogen verschwunden, ein Transportmittel besaß sie nicht, und allein auf der einsamen Insel wäre sie sicher todgeweiht. Also nimmt sie die Werbung des lärmenden und lüsternen Dionysos an - weil sie keine Alternative hat!
Die Statue zeigt Dionysos in Bewegung, zu der sitzenden Ariadne eilend, die ihrerseits mit dem Oberkörper zurückweicht, den linken Arm in einer Abwehrbewegung erhoben, sie wirkt eher resigniert als begeistert. Mit einer Hand hält Dionysos die Krone auf Ariadnes Kopf, wie eine Krönungsszene wirkt das Ganze allerdings nicht, zumal die Prinzessin als solche wohl ohnehin schon eine besaß. Wahrscheinlicher ist, dass er ihr im Gegenteil die Krone vom Kopf nimmt, wie Ovid es schildert. So nimmt er die Krone ihr von der Stirn und wirft sie empor. Sie fliegt durch den Luftraum, sieh, da werden im Flug die Juwelen zu leuchtenden Funken. So wurde aus der Krone das Sternbild, das heute Corona Borealis oder Nördliche Krone heißt.
Alles in allem: Liebespaar? Ariadne hatte keinen großen Entscheidungsspielraum, und von ihrer Seite dürfte es sich schlicht und einfach um eine Zweck- und Versorgungsehe gehandelt haben, Einsicht in die Notwendigkeit. Sie bekam mehrere Kinder mit Dionysos, und der für seine Ausschweifungen bekannte Gott muss sie wohl zumindest aufrichtig geschätzt haben, denn nach ihrem irdischen Tod holte er sie in den Olymp und machte sie damit zur unsterblichen Göttin.

Bacchus und Aríadne
Zephyr (auch Zephyros) und Flora
Wie diese beiden sich kennen gelernt haben, beschreibt Ovid in den "Fasti", einem Werk, das die römischen Festtage beschreibt und ihre Hintergründe erklärt. Zu Ehren der Flora wurden in Rom die "Floralia" gefeiert, so dass ihre Geschichte Eingang in diesen Kalender fand.
Ovid greift zu einem literarischen Trick und lässt Flora selbst erzählen:
Frühlingsrosen-Geduft hauchet ihr sprechender Mund:
Chloris war ich, die Flora nun heißt,
Chloris, Nymphe der glücklichen Flur.
Doch dann trat Zephyr in ihr Leben, der milde Westwind, der den Frühling bringt, und begehrt sie. Anfangs versucht die Nymphe, ihm zu entkommen:
Frühling war; ich schwärmt - und Zephyrus schaut': ich entrann ihm,
nach mir eilt' er: ich floh; stärker doch war er, denn ich.
Der Start dieser Beziehung war also eher von Gewalt auf der einen und Ablehnung auf der anderen Seite geprägt, aber Zephyr nimmt sie zur Ehefrau, und das scheint die Nymphe versöhnt zu haben:
Jener vergütet Gewalt mir jetzt  durch den Namen der Gattin;
keine Klage forthin schallet im ehlichen Bund.
Und nicht nur das, er erhebt sie auch zur Göttin:
Einen befruchteten Garten erhielt ich zur Gab auf den Auen;
Diesen erwärmet die Luft, kühlet der lautere Quell:
Ihn auch erfüllte mein Gatte mit herrlichen Blumen,
Und: "Göttin!
(Sprach er;) walte forthin über das Blumengeschlecht!"
Ein glückliches Ehe- und Liebespaar! Jeder für sich und auch beide zusammen stehen für den Frühling, hier tragen sie gemeinsam eine Blütenranke.


Auch in der romantischen Dichtung tauchen beide häufig auf, hier als Beispiel die erste Strophe eines Gedichtes von John Keats (1795 - 1821), worin "der West" natürlich den Westwind Zephir meint:

Stanzas to Miss Wylie
O come Georgiana! the rose is full blown,
The riches of Flora are lavishly strown,
The air is all softness, and crystal the streams,
The West is resplendently clothed in beams.

Stanzen an Miss Wylie
O komm, Georgiana! Die Rosen schau an,
Den blumigen Teppich, den Flora rings spann;
Die Luft ist voll Süße, das Wasser voll Glanz.
Der West schwebt mit funkelndster Sonne zum Tanz.
Heute bezeichnet der Begriff "Flora" die Pflanzenwelt, der Name "Zephyr" wird gern als Typenbezeichnung für Autos, Motorräder und Züge verwendet, wohl um der Assoziation eines schnellen Windes wegen.

Früher wurde dieses Paar übrigens anders interpretiert - nämlich als Amor und Psyche. Gustav Adolph Abendroth gewährt diesen beiden in seinem Buch nur einen knappen Absatz, er lautet:
Obschon Psyche hier nicht mit den ihr eignen Flügeln zu sehen ist, scheint sie es doch zu sein, welcher Gott Amor Blumen in's Haar flicht und mit ihr die Rosengirlande hält.
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Pan und Syrinx
Zumeist schreibt Ovid poetisch aber durchaus lesbar, doch manchmal überschlägt er sich mit heute nicht auf Anhieb zu erkennenden Ausdrücken. So beginnt die Erklärung auf die Frage, wie es zum kürzlich erfundenen flötenden Spiel gekommen sei, mit diesen Worten:
In Arcadiens kalten Gebirgen
War die schönste im Kreis der nonacrischen Hamadryaden
Eine Najad' unlängst: die Nymphen benannten sie Syrinx.
Da ist die Verständlichkeit der Poetik gewichen! Übersetzt heißt der Satz: …die Schönste im Kreis der arkadischen (poetisch: nonacrischen) Nymphen der Bäume (Hamadryaden), eine Wassernymphe (Najade)…
Ob nun eine Baum- oder eine Wassernymphe, sie gehörte zum Gefolge der Göttin Artemis, und das bedeutete auch, auf die strikte Erhaltung der Jungfräulichkeit zu achten, denn sonst drohte ein Verstoßen werden (wenn nicht schlimmeres!). Ihre Schönheit brachte ihr die Aufmerksamkeit etlicher Bewunderer ein, von Göttern und von lüsternen Satyrn war sie schon belästigt und bedrängt worden, doch bislang war sie jedes Mal mit List entkommen.
Eines Tages erblickt Pan, der Hirtengott mit den Bocksfüßen, also auch kein attraktiver Kandidat, Syrinx und setzt ihr nach. Warum sie es dieses Mal nicht mit irgendeiner List schafft, dem Aufdringling zu entkommen? Ovid verrät es nicht. Sie flieht planlos durch unwegsames Gelände bis sie am sandigen Ufer des Flusses Ladon landet, dessen Wellen ihr den Weg versperren. In ihrer Panik fleht sie zu den flüssigen Schwestern (also zu den Najaden) und bittet um Wandlung. Ihr Flehen wird erhört, und:
Wie dann Pan, da schon er gedachte zu haschen die Syrinx,
Statt der Nymphe Gestalt Sumpfrohr in den Armen gehalten,
Und als seufzend er stand, die wehende Luft in dem Schilfe
Leises Geflüster erregt, das ähnlich ertönte wie Klage,
Wie er entzückt vom Zauber des Tons und der neuen Erfindung
Hatte gesagt: "Das soll fortan uns beide vereinen!"
Und an den Halmen sodann, die er ungleich unter einander
Hatte verbunden mit Wachs, den Namen des Mädchens erhalten.
Genau diesen Moment stellt die Skulptur dar: Die Verwandlung von Syrinx in einen Busch aus Schilfrohr hat bereits begonnen, und der pferdefüßige Gott mit den kleinen Bockshörnern wird ihr nichts mehr anhaben können. Das war eine sehr einseitige "Liebesgeschichte" - also eher gar keine.
Geblieben ist von der Syrinx die Panflöte, die der Gott aus ihrem Schilfrohr erfunden hat, auch Hirtenflöte oder nach ihrem Namen Syrinx genannt; von Pan das Wort Panik…
Orpheus und Eurydike - vielleicht
Das nächste Paar unterscheidet sich von den vorhergehenden, indem ihre Darstellung eher statisch ist: Eine stehende Frau blickt einen sitzenden Mann liebevoll an - keine Flucht, keine Verwandlung, keine Action. Auch fehlen eindeutige Indizien, an denen die beiden identifiziert werden könnten. Vermutet wird, dass es sich um Orpheus und Eurydike handelt, obwohl der männlichen Gestalt das typische Attribut des Sängers fehlt, sein Instrument, die Lyra.
Nachdem er die ewig lange Fahrt und die Abenteuer der Argonauten begleitet hatte, muss Orpheus wohl beschlossen haben, nun ein etwas ruhigeres Leben zu führen und zu heiraten. Seine Wahl fiel auf die Baumnymphe (Dryade) Eurydike, und die Hochzeit fand statt. Über das Eheleben der beiden ist nichts bekannt, nur, dass es sehr kurz war, und durch einen tragischen Unfall beendet wurde. Ovid schreibt:
Während im Grünen
Wandelte unter der Schar der Naja'den die kürzlich Vermählte,
Fand sie den Tod, an der Ferse verletzt vom Zahne der Schlange.
Orpheus war verzweifelt, doch dann besann er sich seines Talentes, schließlich war er der beste seiner Zunft. Wenn er seine Lyra erklingen ließ und dazu sang, wurden wilde Tiere zahm, Bäume neigten sich ihm zu und spendeten ihm Schatten; auf der Fahrt mit den Argonauten hatte er mit seinem Spiel sogar die Sirenen übertönen können und damit die Mannschaft vor dem Tod bewahrt.
Also macht er sich auf den Weg in die Unterwelt, und dort angekommen hält er vor Hades und Persephone, dem Herrscherpaar der Schattenwelt, ein gesungenes Plädoyer. Er akzeptiert, dass alle Menschheit irgendwann in die Unterwelt einkehren muss, aber erst wenn reif sie verlebt die gebührenden Jahre - was auf die junge Eurydike nicht zutrifft, und endet mit dem Appell:
Gönnt uns nur noch die Gemeinschaft!
Weigert der Gattin die Gunst das Geschick, so bin ich entschlossen
Nimmer von hinnen zu geh'n. Dann freu' euch zweier Vernichtung
Alle sind vollkommen gebannt und ergriffen von seinem Gesang, das feurige Rad, an das Ixion gefesselt war, blieb stehen, Sisyphos machte Pause und setzte sich auf seinen Stein. Auch das Herrscherpaar kann diesem Gesang nicht widerstehen und erlaubt ihm, Eurydike mit nach oben in die Welt zu nehmen - allerdings unter der Bedingung, dass er sich auf dem Weg dahin nicht zu ihr umdrehen darf!
Mit verzögertem Schritt, von der Wunde gehindert folgt Eurydike ihrem Gatten entlang des schroffen, düsteren Fußpfades, und bald haben sie den Ausgang erreicht, da hält Orpheus es nicht mehr aus und begeht den verheerenden Fehler:
Schaut er liebend sich um, und zurück gleich ist sie gesunken.
Sie ruft ihm noch einen scheidenden Gruß zu, aber dann ist Eurydike für immer in der Unterwelt verschwunden. Zwar bittet und bettelt Orpheus darum, ebenfalls zurück in den Hades gelassen zu werden, geht schließlich sogar in einen siebentägigen Hungerstreik, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, aber die Götter bleiben hart, dieser Weg bleibt ihm verwehrt.
Das ist das tragische Ende dieser kurzen Liebesgeschichte. Dieser Stoff ist vielfach künstlerisch bearbeitet worden, und der Komponist Christoph Willibald Gluck ließ ihm in seiner Oper sogar ein Happy End angedeihen; bei ihm erweckt Hermes die Tote wieder zum Leben. Aber da die Oper später entstanden ist, müssen wir uns diese Skulptur - wenn sie denn Orpheus und Eurydike darstellt - als ein Bild der beiden während ihrer kurzen aber glücklichen Ehe vorstellen.
Narkissus (griechisch Narcissos) und Echo
Es folgt wieder eine bewegte und bewegende Szene - doch unter umgekehrten Vorzeichen: hier flieht ein junger Mann vor einer jungen Frau! Narzissus heißt der hübsche Jüngling. Eine glückliche Kindheit hatte er wohl nicht, entstammt er doch einer Vergewaltigung seiner Mutter, der Nymphe Liriope, durch den Flußgott Cephissus, jedenfalls entwickelte er sich nicht zu einem freundlichen Menschen, im Gegenteil:
Aber es war in der zarten Gestalt so fühlloser Hochmut:
Keiner bewegte sein Herz von den Jünglingen, keines der Mädchen.
Als ihn die Bergnymphe (Oreade) Echo zufällig im Wald bei der Jagd erblickt, ist sie sofort Feuer und Flamme für den Schönling, und verfolgt ihn heimlich.
O, wie wollte sie oft schon nahen mit kosenden Worten
Und sanft bitten und fleh'n!
Doch das ist ihr verwehrt, denn sie hat ein böses Handikap! Einst hatte sie immer und immer wieder die (zu Recht!) eifersüchtige Göttin Juno abgelenkt, wenn deren untreuer Gatte Jupiter zu amourösen Abenteuern bei den Nymphen weilte. Sie verwickelte die Göttin einfach so lange in geflissentliche Gespräche, bis ihre Schwestern geflohen waren. Als Juno diese Verschwörung endlich bemerkte, beschloss sie, Echo zu bestrafen, und nahm ihr die Fähigkeit, eigene Sätze zu sprechen. Von nun an konnte sie also kein Gespräch mehr mit irgendjemandem beginnen, und auch eine sinnvolle Konversation konnte sie nicht mehr führen - alles, was ihr blieb, war genau das, was wir bis heute als Echo bezeichnen.
Doch schließlich meint Narzissus, etwas gehört zu haben und ruft in den Wald: "Ist jemand da?" Das gibt Echo die Chance zu einer Antwort, "da" ist alles, was sie ihm zurückgeben kann. Es entspinnt sich ein kurzer sinnfreier Dialog, bis Narzissus darauf dringt, seinen unbekannten Gesprächspartner zu sehen:
Sagt er: "Vereinen wir uns!" und Echo, die keinem der Töne
Antwort gäbe so gern, läßt: "Einen wir uns!" sich vernehmen,
Und sie selber entzückt ihr Wort, und sie tritt aus dem Walde,
Um den ersehneten Hals die liebenden Arme zu schlingen.
Aber er flieht und entreißet im Fliehn der Umschlingung die Hände:
Das ist genau die Situation, die hier abgebildet ist: Die verliebte Echo wendet sich in freudiger Erwartung dem Jüngling zu, mit dem rechten Arm hat sie ihn schon fast umschlungen, der andere bewegt sich zu ihm; er aber wendet sich ab, scheint fast schon auf der Flucht, sein Mund ist geöffnet, er sprich die letzten abweisenden Worte:
"Eher - so ruft er - den Tod, als daß du mir nahtest in Liebe!"
Echo begeht daraufhin den Fehler, die arrogante Zurückweisung sehr persönlich zu nehmen. Sie zieht sich völlig zurück, lebt fortan in entlegenen Höhlen und nimmt keine Nahrung mehr zu sich, bis sie nur noch Stimme und Knochen ist. Nachdem die Knochen sich in Gestein verwandelt haben, ist von ihr nur eines übrig: Als Schall nur lebt sie beständig - bis heute!
Über Narzissus lastete seit seiner Geburt die von dem blinden Seher Teiresias als Antwort auf die Frage, ob das Kind ein langes Leben haben werde, gemachte Prophezeiung: "Wenn er sich
nicht kennt!". Jetzt kommt erschwerend hinzu, dass ein Verschmähter zum Himmel fleht: "So mag lieben er selbst, so nie das Geliebte besitzen!" - und die Rachegöttin Nemesis sich dieser Bitte annimmt. Narzissus erblickt sein Ebenbild in einem klaren See und verliebt sich hoffnungslos in sich selbst. Er kann sich überhaupt nicht mehr von seinem geliebten Spiegelbild losreißen und stirbt schließlich am Ufer des Sees an Erschöpfung. Als die Nymphen seine sterblichen Überreste abholen wollten, entdeckten sie:
Da war nirgend der Leib. Für den Leib ist sichtlich ein Blümlein,
Safrangelb, um die Mitte besetzt mit schneeigen Blättern.
Der tote Jüngling hatte sich in die Narzisse verwandelt, eine Blume, die man nie verschenken sollte, der Beschenkte könnte sich als eitel beschimpft empfinden.
Apollo (griechisch Apollon) und Daphne
Am Anfang dieser Geschichte steht als Verursacher einer, der hier nicht zu sehen ist: Cupido (auch Amor, griechisch Eros), Sohn der Venus und des Mars, Gott der Liebe mit der Fähigkeit Menschen und Göttern den Verstand zu rauben.
Ihn hatte Apollo, Sohn des Zeus und der Leto, einer der zwölf Hauptgötter im Olymp und mit vielen Zuständigkeiten (Gott des Lichtes, Gott der Künste und verantwortlich für das Orakel in Delphi) als einen schlechten Schützen verhöhnt. Der Liebesgott sann sowohl auf Rache, als auch nach einer Möglichkeit, seine Kräfte und sein Können unter Beweis zu stellen. Ausgerechnet Daphne, eine jungfräuliche Bergnymphe bezog er in seinen Racheplan mit ein:
Zwei der Geschosse entnimmt er dem pfeilumschließenden Köcher,
Ungleichartig an Kraft. Eins scheucht, eins wecket die Liebe.
Welches sie weckt, ist golden und glänzt mit spitziger Schärfe;
Welches sie scheucht, ist stumpf, und Blei ist unter dem Rohre.
Dieses versendet der Gott zur peneischen Nymphe; das andre
Schnellet er durch das Gebein in's innerste Mark dem Apollo.
Der fühlt Liebe sogleich; sie flieht vor des Liebenden Namen:
Hatte Daphne ohnehin kein Interesse an Männern und sich ewige Jungfräulichkeit geschworen, kam nun noch die durch den bleiernen Pfeil ausgelöste strickte Abneigung gegen Apoll dazu -  dieser wiederum fand plötzlich alles an ihr begehrenswert und schön, sogar ihr absichtlich kunstlos fallendes Haar.
Für Daphne gibt es nur eins:
Sie flieht wie ein Lufthauch
Schwebend davon und steht nicht still.
Natürlich - er kann gar nicht anders - folgt Apoll ihr und ruft ihr hinterher. Zunächst offenbart er seine Liebe, dann versucht er es mit Fürsorglichkeit und ermahnt sie, vorsichtig zu sein, weil er Angst habe, sie könne sich auf ihrer Flucht verletzen. Dann weist er darauf hin, dass er kein einfacher Hirte oder Bauer ist, sondern:
Jupiter hat mich gezeugt. Durch mich wird kund, was gewesen,
Was sein wird und was ist. Durch mich stimmt Sang zu den Saiten.
Noch weitere seiner Talente listet er auf: Er ist der beste Schütze, hat die Heilkunst erfunden, überhaupt ist er der Helfer auf Erden. Als auch diese Selbstdarstellung Daphne nicht dazu bringt, stehen zu bleiben, ändert er seine Taktik, legt einen Schritt zu und folgt jetzt mit Hast nach dem Fang.
Auch Daphne wird schneller, aber irgendwann merkt sie die Erschöpfung, und dann spürt sie auch schon den Atem des Verfolgers in ihrem Nacken. Da bemerkt sie, dass sie sich in der Nähe des Flusses Peneios befindet, dessen gleichnamiger Gott ihr Vater ist. Ihr bleibt nur noch ein einziger Ausweg:
Flehte sie: "Vater, ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben!
(Wandele diese Gestalt, darin zu sehr ich gefallen.)"
Kaum hat sie ausgesprochen, beginnt ihre Metamorphose: Ihre Füße werden zu Wurzeln, ihre Beine erstarren, Rinde wächst auf ihrer ganzen Haut, die Arme werden zu Ästen und ihre Haare wandelten sich in grünes Laub - es ist ein Lorbeerbaum, den Apollo schließlich in den Armen hält.
Die Darstellung hier zeigt den Beginn von Daphnes Verwandlung. Daphne konnte ihrem Schicksal nur entkommen, indem sie ihre irdische Existenz aufgab. Apoll, der die begehrte Gattin nicht bekam, erwählte nun den Lorbeer zu "seinem" Baum, mit dessen Blättern er fortan sein Haupt, seine Leier und seinen Köcher bekränzte. Ein für Sieg und Ruhm stehendes Symbol ist der Lorbeerkranz bis heute.
Zwei Hinweise:
Der an der Geschichte vom Barockgarten Großsedlitz und anderen sächsischen Parks Interessierte kann mehr lesen in dem Buch "Wahre Geschichten um Sachsens schöne Parks".
Neben Großsedlitz werden hier beschrieben: das Leipziger Rosental, der Park in Siebeneichen, der Rhododendrenpark in Kromlau, Klosterpark Altzella, die Parks von Schloss Weesenstein und Schloss Rammenau, das Seifersdorfer Tal, der Findlingspark in Nochten und die Pücklerparks in Muskau und Branitz.

Das Buch "Wahre Geschichten um Sachsens Adel" erzählt von einzelnen Personen und ganzen Familien, die für die sächsische Geschichte von Bedeutung waren, und schlägt dabei einen Bogen von der uradligen Familie von Bünau bis zu Arnold Friedrich Vieth von Golßenau, besser bekannt als der Schriftsteller Ludwig Renn, der den "Adel im Untergang" am Anfang des 20.Jahrhunderts beschreibt.
Meleager (griechisch Meleagros) und Atalante
Das nächste Paar steht einander zugewandt und sieht tatsächlich glücklich und harmonisch aus: Meleager ist gerade im Begriff,  Atlanta einen großen Eberkopf zu überreichen. Doch leider handelt es sich hier nur um einen ganz kurzen Moment des (Liebes-) Glücks.
Am Anfang stand eine Versäumnis des Oineus, König von Kalydon und Vater des Meleager: Nach einer reichen Ernte hatte er zum Dank allen Göttern die ihnen gebührenden Opfer gebracht, dabei allerdings vergessen, auch der Diana (griechisch Artemis) ihren Tribut zu zollen. Die war sehr erzürnt und ließ aus Rache einen riesigen Eber auf das Land des Königs los. Ovid beschreibt ihn sehr anschaulich:
Sprühend in Feuer und Blut ist der Blick; starr sträubt sich der Nacken;
(Aufrecht stehen gesträubt wie starrende Lanzen die Borsten;)
Über die Breite der Brust fließt nieder mit heiserem Zischen
Kochender Schaum; vorsteh'n gleich indischen Zähnen die Hauer;
Blitzstrahl fährt von dem Maul, und das Laub wird brennend vom Anhauch.
Dieses Ungeheuer stampfte alle Felder platt, fraß sämtliche Ernten weg, riss alle Nutztiere, kurz: Es verwüstete das ganze Land.
So ging es nicht weiter und Meleager entschloss sich zu handeln. Aus ganz Griechenland rief er die berühmtesten Helden zusammen, um mit ihnen Jagd auf die Bestie zu machen.
Durch den Reiz der gefährlichen Jagd gelockt, reiste auch Atalante aus Arkadien an, die ansonsten lieber alleine in ihren heimischen Wäldern jagte und sich der Jungfräulichkeit verschrieben hatte, Gustav Schwab nennt sie die schöne Männerfeindin. Schon bei ihrem ersten Anblick beginnt Meleager, sich in die Schöne zu verlieben, doch für Romantik ist keine Zeit - zunächst muss der Eber erlegt werden. Die Jagd beginnt und entwickelte sich zu einer wahren Schlacht, denn das Tier wehrte sich natürlich wie verrückt gegen die Jägerschar, die bald mehrere Tote und Verwundete zu beklagen hatte.
Nach etlichem Gemetzel ist es schließlich ausgerechnet ein Pfeil der Atalante, der einzigen Frau in der Gruppe, der den Eber als erstes trifft! Sie verwundet das Tier unter dem Ohr und schwächt es dadurch. Meleager ist beeindruckt und spricht:
"Dir, o Heldin, gebührt der Preis und die Ehre des Tages."
Das kommt bei den Männern nicht gut an! Aufgebracht und rot vor Scham stürzen sie  erneut los, schießen ihre Pfeile und Speere wild durcheinander, wetteifern nun darum, das Tier zu erlegen. Erst nachdem es weitere Tote und Verletzte gegeben hat, gelingt es endlich Meleager, den Eber am Rücken zu verwunden und schließlich zu töten.
Dem Sieger gebührt die Trophäe, und so schlägt Meleager dem Tier sein wuchtiges Haupt ab  - und reicht es Atalante.
"Nimm sie" - sprach er sodann - "nonakrische Dirne, die Beute,
Die mir ward, und es falle der Ruhm uns beiden zum Anteil!"
Der verliebte Held will seinen Triumph gleichberechtigt teilen, und es scheint, nur eine Zeile deutet bei Ovid darauf hin, dass in diesem Moment auch Atalante ihm zugetan ist und vielleicht ihre Jungfräulichkeit für ihn aufgeben würde:
Hoch war jene erfreut ob der Gabe zugleich und des Gebers.
Das ist der Augenblick, der hier zu sehen ist, ein Moment, der sofort vorüber ist, denn die Männer, wütend vor Neid,  legen sehr energisch Widerspruch ein. Das verbale Gefecht eskaliert, und schließlich rammt der erzürnte Meleager den beiden Wortführern seinen Speer in die Brust und tötet damit - die Brüder seiner Mutter!
Der Schmerz um den Tod ihrer Brüder schmerzte Althäa so sehr, dass sie sich eines alten Fluches entsann, den die Moiren bei der Geburt Meleagers ausgesprochen hatten. Damals hatte sie ihn aufgehalten, nun aktiviert sie ihn wieder: Ein seinerzeit von ihr gerettetes Stück Holz wirft sie zurück in das Feuer und führt dadurch den grausamen Tod ihres Sohnes herbei; er stirbt unter schrecklichen Schmerzen an einer heftigen Fieberglut.
Und Atalante? Sie heiratete später doch noch, nämlich den Melanion (nach anderen Quellen den Hippomenes) nachdem dieser sie mit einem Trick beim Wettlauf besiegt hatte.
Ceyx (Keyx) und Alkyone (auch Halkyone)
Die letzte Doppelgruppe zeigt einen sich abwendenden Mann und eine Frau, die versucht, ihn zu halten. Wieder eine Geschichte von  Flucht und Verfolgung? Nein, das ist hier nicht der Fall, eher das Gegenteil. Ceyx, der friedliebende König von Thrachis, und seine Frau Alkyone waren absolut glücklich verheiratet, so glücklich und friedlich, dass es über diese Ehe gar nichts zu berichten gibt - bis zu genau dem Augenblick, den wir hier sehen.
Ceyx war beunruhigt als er vom Schicksal seines Bruders Daidalion gehört hatte. Dieser hatte sich nach dem Tod seiner Tochter aus Trauer vom Parnass gestürzt, fiel aber nicht in den Tod, sondern wurde von Apollo in einen Habicht verwandelt. Ceyx trieb der Gedanke um, was wohl sein eigenes Schicksal sein könnte und er setzte sich in den Kopf, dazu unbedingt das Orakel in Klaros befragen zu müssen, was eine Fahrt über das Meer erforderlich machte.
Als er Alkyone von seinem Entschluss erzählt, reagiert sie angsterfüllt:
Ihr rieselte, wie sie es hörte,
Frost durch Mark und Gebein; und dem Buchsbaum ähnliche Blässe
Deck't ihr Gesicht, und ein Strom von Thränen benetzte die Wangen.
Doch ihre Panik ist keine bloße Hysterie, denn als Tochter eines Windgottes weiß Alkyone um die Gefahren der Winde auf See, die, einmal entfesselt, von niemandem zu bändigen sind:
Wenn sich des Meers einmal die entlassenen Winde bemächtigt, bleibt nichts ihnen verwehrt.
Sie fleht und bettelt, dann bittet sie ihren Mann, sie mitzunehmen, was er ablehnt, nichts fruchtet, Ceyx ist fest entschlossen. Er versucht noch, sie mit dem Versprechen einer baldigen Rückkehr zu beruhigen, da sind schon die Boote seefertig gemacht. Alkyone:
Hält ihn umfangen und sagt dann endlich mit traurigem Munde:
"Leb' denn wohl!" und sinkt ohnmächtig, die Ärmste, danieder.
Es ist genau der Augenblick vor dem Ohnmachtsanfall, den wir hier sehen, der dramatische Abschied eines wirklichen, innigen Liebespaares!
Man ahnt es: Die Sache ging nicht gut aus. Ceyx' Schiff sinkt in einem Sturm, den Ovid sehr dramatisch schildert, die letzten Worte des Ertrinkenden Ceyx sind "Alkyone". Derweil, nichts ahnend vom Schicksal, das ihren Mann getroffen hat, wartet diese auf seine Rückkehr und betet zu Juno um seine baldige Wiederkehr. Juno hingegen weiß um das Geschehene und sendet Morpheus, den Gott der Träume, in Gestalt des Toten zu Alkyone, der sie im Schlaf endlich aufklärt:
Tot bin ich längst: mein harre du nicht in betrüglicher Hoffnung."
Alkyone ist nun völlig verzweifelt und des Lebens müde, am folgenden Morgen geht sie an den Strand, an die Stelle, wo sie sich verabschiedet haben, in der Absicht, ins Wasser zu gehen und das nasse Grab mit ihrem Mann zu teilen. Dort sieht sie einen Leichnam im Meer schwimmen und erkennt, als er näher kommt, dass es Ceyx ist.
"Er ist's!" ruft jammernd sie aus und zerreißt sich
Antlitz, Haare und zugleich das Gewand.
Zu ihm ins Wasser will sie eilen, doch da setzt ihre Verwandlung ein, fliegend zerteilt sie die Luft […] mit eben erwachsenen Schwingen, und als Vogel erreicht sie die Leiche ihres Mannes. Ihn zu küssen will mit ihrem spitzigen Schnabel nicht wirklich gelingen, doch Mitleid rührt endlich die Götter, und beide wandeln in Vögel sich um.
So haben diese beiden Liebenden mit göttlicher Hilfe wieder zusammengefunden und werden nie mehr getrennt, denn gelöst ward auch bei den Vögeln nimmer der eh'liche Bund. Und tatsächlich leben Eisvögel (Gattungsname Alcedinidae, abgeleitet von Alkyone), denn in solche wurden die beiden verwandelt, überwiegend in monogamen Beziehungen! Und der Begriff "halkyonische Tage", gern in der Dichtung als Synonym für eine heitere friedliche Zeit verwendet, meint die ruhigen windstillen Tage um die Wintersonnenwende, die der Windgott Aiolos seiner Tochter Alkyone und ihrem Mann Ceyx jedes Jahr gewährt, damit sie in Ruhe brüten können.
Zephyr und Flora
Pan und Syrinx
Orpheus und Eurydike
Narkissus und Echo
Apollo und Daphne
Meleager und Atalante
Ceyx und Alkyone